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Sonderbedarf vs. Mehrbedarf und Laufender Lebensbedarf
Nach § 1610 Abs. 2 BGB umfasst der Unterhaltsbedarf den gesamten Lebensbedarf. Dieser setzt sich zusammen aus laufendem Bedarf, dem Mehrbedarf und dem Sonderbedarf. Der Umfang des allgemeinen Lebensbedarfs richtet sich nach den jeweiligen Normalverhältnissen des Einzelfalls. Es ist der angemessene Bedarf entsprechend den Lebensverhältnissen.
Den Sonderbedarf definiert das Gesetz in § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB als unregelmäßigen außergewöhnlich hohen Bedarf, der dem Unterhaltspflichtigen innerhalb eines Jahres nach seiner Entstehung gegenüber gerichtlich geltend gemacht werden muss, es sei denn, der Unterhaltspflichtige ist bezüglich des Anspruchs innerhalb der Jahresfrist wirksam in Verzug gesetzt worden. In diesem Fall setzt die regelmäßige Verjährungsfrist des § 197 Abs. 2 BGB für Unterhaltsansprüche (drei Jahre) ein. Inwieweit im Einzelfall ein Sonderbedarf vorliegt, kann problematisch sein. Charakteristisch ist, dass es sich dabei - ganz im Gegensatz zum Mehrbedarf - um einen überraschenden, nicht mit Wahrscheinlichkeit voraussehbaren und der Höhe nach nicht abschätzbaren Bedarf handelt, der deshalb bei dem laufenden Unterhalt nicht angesetzt werden konnte und damit eine zusätzliche Unterhaltsleistung rechtfertig.
Die folgenden Auflistungen sollen einen Überblick über die einzelnen Fallgestaltungen bzgl. laufendem Bedarf, Mehrbedarf und Sonderbedarf geben. Die Rechtsprechung der Gerichte ist allerdings sehr unterschiedlich.
Von einem laufenden Lebensbedarf, also keinen Sonder- oder Mehrbedarf, geht die Rechtsprechung in nachstehenden Fällen aus:
Hingegen nimmt die Rechtsprechung in folgenden Fällen einen Sonderbedarf an:
In den folgenden Fällen ist eine Grenzziehung zwischen laufendem Bedarf und Sonderbedarf streitig:
Die unterhaltsrechtliche Abgrenzung zwischen laufendem Bedarf, Mehrbedarf und Sonderbedarf hat nicht nur für den Kindesunterhalt (Verwandtenunterhalt), der in den §§ 1610, 1613 BGB angesiedelt ist, Bedeutung sondern gilt für alle Unterhaltsrechtsverhältnisse. Dies folgt aus den §§ 1360a Abs. 3, 1361 Abs. 4, 1585b Abs. 1 BGB, welche auf die zuvor genannten Vorschriften verweisen und somit als allgemeiner Rechtsgedanke des Unterhaltsrechts zu verstehen sind.
Ein laufender Bedarf kann für zurückliegende Zeiträume nur ab Inverzugsetzung geltend gemacht werden, Sonderbedarf jedoch auch ohne Inverzugsetzung innerhalb eines Jahres nach Entstehung des Sonderbedarfs ohne vorherige Mahnung des Unterhaltspflichtigen gem. § 1613 Abs. 2 BGB. Der Sonderbedarf kann deutlich flexibler und einfacher geltend gemacht werden, da die Befriedigung des Sonderbedarfs - im Gegensatz zum laufenden Bedarf / Mehrbedarf - verfahrenstechnisch außerhalb der strengen Regelungen des Abänderungsverfahrens erfolgen kann. Jedoch ist zu beachten, dass ein Sonderbedarf nur wegen eines unregelmäßigen, außergewöhnlich hohen Bedarfs des Berechtigten vorliegt. Ein regelmäßiger außergewöhnlich hoher Bedarf des Berechtigten ist unterhaltsrechtlicher Mehrbedarf und daher als laufender Unterhalt gegebenenfalls als Zuschlag zu den meist quotal bestimmten Unterhaltsbedarf des Berechtigten einzuklagen. Ändert sich der regelmäßig auftretende Mehrbedarf, ist dieser wie die laufende Unterhaltsrente rückwirkend nur ab Verzug des Unterhaltsschuldners und gegebenenfalls mit einer Abänderungsklage geltend zu machen.
Was Mehrbedarf und was Sonderbedarf ist, ist nicht immer leicht abgrenzbar. Sonderbedarf muss unregelmäßig und daher überraschend auftreten, so dass Rücklagen aus dem laufenden Unterhaltsleistungen nicht gebildet und eingesetzt werden können. Der Mehrbedarf hingegen ist zwar regelmäßig und "ohne Überraschung", übersteigt aber das Übliche, sodass er mit den Regelsätzen der Bedarfsmessung zu erfassen ist. Eine präzise Abgrenzung ist besonders für den Bereich des Minderjährigenunterhalts wichtig, denn hier hängt von dieser Einordnung auch ab, ob der Bedarf ausschließlich vom barunterhaltspflichtigen Elternteil zu befriedigen ist, oder ob auch der Elternteil zur Deckung des Sonderbedarfs herangezogen werden kann, der die elterliche Sorge über das Kind ausübt, bei dem sich das Kind also gewöhnlich aufhält.
Der § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB, wonach der sorgende Elternteil nicht barunterhaltspflichtig ist, gilt für den Sonderbedarf nicht. Hier haften beide Elternteile anteilsmäßig. Bei einer Geltendmachung von Sonderbedarf ist daher stets zu prüfen, ob eventuell der sorgeausübende Elternteil zur Finanzierung des Sonderbedarfs mit heranzuziehen ist. Auch wann ein Bedarf außergewöhnlich hoch ist, um als Sonderbedarf qualifiziert zu werden, ist im jeweils konkreten Einzelfall zu entscheiden. Generell wird man sagen können, dass je niedriger der laufende Unterhalt ist, umso eher ist eine außergewöhnliche Höhe des Sonderbedarfs anzunehmen.
Sonderbedarf ist daher gegenüber dem Mehrbedarf stets sehr konkret zu begründen und zwar bezüglich der Höhe, der Unplanbarkeit seines Entstehens und der Unzumutbarkeit der Finanzierung aus der laufenden Unterhaltsrente. Als kompetente Ansprechpartner bezüglich Mehrbedarf und Sonderbedarf stehen Ihnen die Rechtsanwälte der Kanzlei Baranowski & Kollegen aus Siegen zur Seite.
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